Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band II: Gemeinde Dippoldsberg mit Ortsteil Meiersberg
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 2

 
 

Die letzten Kriegstage in der Gemeinde Dippoldsberg

Dieses Fragen nach dem Sinne der Opfer dürfte noch durch die letzten Maßnahmen vor dem Ende des Krieges, durch die Regierung des Dritten Reiches, die noch den letzten möglichen Kämpfer erfassten und einsetzen wollte, verstärkt worden sein. Über diese Maßnahmen kann man im Dok. Nr. 85 (1) lesen, ... Als ich 14 Jahre alt war, kam zu einem dieser Appelle (gemeint ist der vierwöchentlich stattfindende Appell der Hitlerjugend in Wilhermsdorf - der Verfasser) in Wilhermsdorf ein Offizier der Wehrmacht. (Die HJ von Dippoldsberg und Meiersberg war dem Fähnlein bzw. der Gefolgschaft Wilhermsdorf als Jungenschaft bzw. Kameradschaft angeschlossen - der Verfasser). In seinen Schilderungen verherrlichte er das Soldatenleben und wies darauf hin, dass die Landesverteidigung notwendig und eine Ehrensache sei. Darauf forderte er uns auf, uns freiwillig für den Kriegsdienst zu melden. (2) Dies gelang ihm auch zum großen Teil. Viele meldeten sich damals zur berühmten SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" (gemeint ist die 12. SS-Panzerrdivision, die vornehmlich in der Normandie und später dann in den Abwehrkämpfen im Westen den Westalliierten härtesten Widerstand entgegensetzte - der Verfasser); um diese Zeit wussten wir schon um die harte Kampfweise der Waffen-SS. Ich meldete mich zur Luftwaffe. Diejenigen unter uns, die sich nicht freiwillig zum Kriegsdienst meldeten, wurden damals schon etwas verachtet."

Auch nach der Schaffung des deutschen Volkssturmes im Oktober 1944 von dem Dok. Nr. 82 (3) erzählt: "Gründet im Herbst 1944 und vereidigt im Sonnensaal (in Wilhermsdorf - der Verfasser). Der Kompanieführer des Volkssturms war der Lagerhausverwalter Sieber; sein Stellvertreter Hauptlehrer Schaffner aus Wilhermsdorf," vergaß man der noch in der Heimat verbliebenen Jugendlichen nicht. Davon lässt Dok. Nr. 85 (4) uns erfahren: "Ende 1944 wurde der Jahrgang 1929 in die Hitlerjugend - der nächsthöheren Organisation - übernommen. Von da an mussten wir - wie die Männer des Volkssturms - mit den Volksstürmlern nachts die Ortswache übernehmen. Eine Nachtwache dauerte zwei Stunden."

So lastete drückend die Sorge um die Zukunft, um den Ausgang dieses so harten und grausamen Krieges auf der Bevölkerung der Gemeinde Dippoldsberg. Alles wurde nun auch von der Heimat gefordert!

Als dann die Front im März 1945 sich der fränkischen Heimat näherte, kam noch eine Last, die es zu ertragen galt, hinzu. Dok. Nr. 85 (4) weiß darum: "Anfangs März 1945, die Front näherte sich unserem Heimatgebiet rasch, bekamen ich und viele andere - ich war 15 Jahre alt - den ersten Einrückungsbefehl in ein Wehrertüchtigungslager. Dies war in Scheinfeld. Hier wurden wir in Schnellausbildung an sämtlichen Handfeuerwaffen (Panzerfaust, Sturmgewehr 44, Handgranaten etc.) ausgebildet. Dieser Lehrgang war mit einer erneuten "Freiwilligenkampagne" verbunden. Diejenigen, die sich zur Infanterie meldeten oder mussten, wurden nicht mehr entlassen. Hingegen die Freiwilligen, die sich zu einer anderen Waffengattung gemeldet hatten, konnten noch einmal nach Hause."

Der Berichter aus dem Dok. Nr. 85 kam eine Gemeinde zurück, die sich rüstete, den Feind zu empfangen und diese Tage zu überleben. Unruhe erfüllte die Bevölkerung. Was tun war die Frage, die bang im Raume stand. Fern hörte man schon das Grollen der Front, das ständig näher kam. - Was tun?


Der Einsatz der Volkssturmmänner aus der Gemeinde Dippoldsberg

In diese Spannung und Bangigkeit vor der ungewissen Zukunft platzte die Alarmierung der Volkssturmmänner am 5. April 1945 durch die Leitung der Volkssturmkompanie aus Wilhermsdorf (5). Lassen wir doch besser Dok. Nr. 82 erzählen (6): "Wir wurden am 5. oder 6. April 1945 alarmiert. Treffpunkt war das Rathaus in Wilhermsdorf. Von dort: Abfahrt nach Emskirchen mit einem Traktor der Firma Höpfner und Schamberger (Lagerhaus in Wilhermsdorf - der Verfasser). In Emskirchen bekamen wir Gewehre und mussten dann den Marsch nach Neustadt (Aisch) antreten. Im Arbeitsdienstlager dortselbst bekamen wir ein Nachtquartier. Am anderen Tage marschierten wir durch Neustadt (Aisch) zum Einkleiden. Unser Marsch ging in Richtung Bahnhof. Während des Einkleidens wurden wir im Hofe des Gebäudes mit Spreng- und Brandbomben (der US-Luftwaffe, denn diese flog in süddeutschen Raum in diesen Tagen Einsätze gegen uns - der Verfasser) belegt. Die Folge war entsetzlich: Mein Nachbar Brunner, Lehrer Reiß (der damalige Lehrer an der einklassigen Volksschule zu Dippoldsberg - der Verfasser) von hier, von Wilhermsdorf ein Mann, von Siedelbach zwei, von Bräuersdorf der Gastwirt und noch einer vom Aischgrund sind dort gefallen (7). Abends wurden wir wieder heimgeschickt. Ich trug eine leichte Gehirnerschütterung davon. Deshalb ging ich am anderen Tag nicht wieder nach Neustadt (Aisch), obwohl ein Befehl vorlag."

Nun, die Front näherte sich in diesen Tagen Uffenheim und es war abzusehen, wann sie das Gebiet der Gemeinde Dippoldsberg erreichen würde. Daher rüstete sich die Bevölkerung im Gemeindebereich den Tag "X" überleben zu können. Dass er nicht mehr weit entfernt war, das konnte man auch daran erkennen, dass schon seit Ende März 1945 von den staatlichen Erfassungsbehörden keine Naturalien eingesammelt, geschweige denn abgeholt wurden. Deshalb kann Dok. Nr. 82 (6) berichten:

"... Da in den letzten drei Wochen vor der Besetzung durch den Feind keine Eier mehr abgeliefert wurden..." und dass der Verkehr der öffentlichen Verkehrsmittel fast gänzlich - wegen der absoluten Beherrschung des Luftraumes durch die Flieger der alliierten Luftwaffe - zum Erliegen gekommen war.

Die Sicherung des Überlebens

Sie war geprägt von drei Faktoren:

1. Schaffung eines Schutzraumes um eventuell Feindeinwirkungen entgehen zu können.

Dies war in den letzten Kriegstagen im Wesentlichen keine Frage, denn schon lange zuvor hatte man - wegen eventueller Luftangriffe - sich den Hauskeller, den Felsenkeller oder am Ortsrande einen Bunker als Luftschutzkeller oder Luftschutzbunker her- und eingerichtet.

Anders lagen die Dinge bei der Sicherung der weiteren Versorgung mit Nahrungsmitteln, Bekleidung und anderem Notwendigen.


2. Vorsorge für das leibliche Wohl

Hier musste von der Bevölkerung damit gerechnet werden, dass durch eventuelle Feindeinwirkungen ein längeres Leben außerhalb der gewohnten Behausung notwendig würde oder dass durch Plünderungen, Brandschatzungen größere Schäden entstünden. So war es nicht verwunderlich, wenn die Bevölkerung unserer Gemeinde daran ging, Nahrungsmittel, Bekleidungsstücke und Bettwäsche vor eventueller Feindeinwirkungen zu schützen. Deshalb begann man in der Woche vor dem 15. April 1945 Nahrungsmittel sicherzustellen indem man sie "ständig im Keller" wie Dok. Nr. 69 weiß, oder "im Garten vergraben" hatte, wie Dok. Nr. 83 versichert. Bezüglich der Aufbewahrung von Nahrungsmitteln wird Dok. Nr. 87 genauer, wenn es zu berichten weiß: "Eingraben von Fleisch im Garten" (8). Wenn auch verschiedene Dokumente eine Sicherstellung von Nahrungsmitteln verneinen (9), so ist doch anzunehmen, dass man intensiv sich auf die Zeit nachher und für die Zukunft vorbereitete und im wesentlichen nicht so leicht verderbliche Nahrungsmittel an sicheren Orten vergrub oder lagerte. Wenn auch in den Fragebögen nicht immer die Lagerstellen aufgeführt wurden. Diese Annahmen berechtigen die Aussagen der Dokumente Nr. 70, 71, 74, 76, 79, 84 und 94.

 
 
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