Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges im Gebiete des Schulverbandes Wilhermsdorf Band II: Gemeinde Dippoldsberg mit Ortsteil Meiersberg
Dokumentation von Theod. Gg. Richert 1975
Teil 6
 
 

Sicherlich hatten davon Kenntnis alle Bürgermeister in diesem Gebiete. Der Funkspruch hat, im Auszug, folgenden Wortlaut (56): "... RFSS hat befohlen:

1. Im jetzigen Zeitpunkt des Krieges kommt es einzig und allein auf den sturen, unnachgiebigen Willen an zum Durchhalten.

2. Gegen das Heraushängen weißer Tücher, das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen ist mit härtester Maßnahme durchzugreifen.

3. Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen. Es darf bei diesen Maßnahmen in keinem Augenblick gezögert werden.

Der Kommandeur der Ordnungspolizei beim Regierungspräsidenten
Tgb. Nr. 49/45 KdO-VS
v. BdO Main Regensburg, den 3. April 1945."

Nur wer diese beiden Faktoren kennt, mag ermessen, was es für einen Bürger oder Bürgermeister in diesen Tagen hieß, zu versuchen unsere Truppen "zum Rückzug zu bewegen, damit unsere Ortschaft nicht im letzten Augenblick noch ein Opfer der Verwüstung und Zerstörung würde."

Inzwischen lag ungeheuere Spannung über der Ortschaft. Die Bürger Dippoldsbergs sahen von Eschenbach kommend die US-Panzer durch den Zenngrund manöverieren (57). Dies, der beginnende Panzerbeschuss (58) und die ersten Schüsse (59), veranlassten die Führung des Volkssturms (Dok. Nr. 91) die deutschen Soldaten (Dok. Nr. 89) oder die Nachbarn (87) den Panzeralarm auszulösen oder die Auslösung des Panzeralarms als gegeben zu erachten. Dies geschah gegen Mittag des 16. April 1945 in Dippoldsberg. Bisher hatte die Mission des Bürgermeisters Fischer gegenüber den deutschen Soldaten keinen Erfolg, denn sonst könnte Dok. Nr. 93 nicht aussagen (60): "Wir gingen dann gegen Mittag (16. April 1945) in den Bunker und ließen die deutschen Soldaten allein in unserem Haus zurück."

Die Auslösung des Panzeralarms hatte zur Folge, wie schon erwähnt, dass sich die Bevölkerung Dippoldsbergs in die bereitstehenden Schutzräume begab. Dies waren u. a.:

Jm Felsenkeller" (Dok. Nr. 81, 87, 86 und 94).
"Hauskeller" oder "Keller unter dem Haus" (Dok. Nr. 83, 91).
"Wir suchten einen Keller auf. Als der Beschuss unserer Ortschaft stärker wurde, verließen wir unseren Hauskeller und suchten den Keller der jetzigen Gastwirtschaft Kramer auf“ (Dok. Nr. 84). Von einer anderen Möglichkeit der Schutzsuche berichten Dok. Nr. 89: "Wir wohnten in diesen Tagen mit den Nachbarn in einem selbstgebauten Bunker in einer Wiese an der Ortschaft." Oder Dok. Nr. 90: „Ja, einen eigenen Bunker im Garten." "Bunker hinter der Ortschaft in Richtung Adelsdorf." (Dok. Nr. 92).

Fast nirgends war nur eine Familie im Schutzraum, meistens taten sich die Nachbarn zusammen in Gruppen und belegten miteinander einen Keller. Wohl der am meisten frequentierte Keller war der Felsenkeller, sonst könnte Dok. Nr. 81 nicht berichten: „Fast die Einwohner der halben Ortschaft. Wir hatten den Felsenkeller wohnlich eingerichtet."

Bange Stunden verlebten die Bürger Dippoldsbergs in ihren Schutzräumen, zumal der Gefechtslärm im Laufe des Tages an Stärke zunahm und man sicherlich das schaurige Rasseln und Klirren der Panzerketten hörte. - Und die deutschen Soldaten waren noch immer im Dorf. Endlich verließen auch die letzten deutschen Truppen - ohne zu kämpfen - Dippoldsberg. Dok. Nr. 93 (61) weiß davon zu erzählen: "Vom Bunker aus konnte wir dann sehen, dass sich unsere Soldaten kampflos in den Wald zurückzogen. Wir atmeten auf!“

Also hatte doch der Einsatz des Bürgermeisters Erfolg! Um Dippoldsberg wurde nicht gekämpft. Jedoch der Beschuss durch Panzer ließ nicht nach, so dass auch Schäden an Häusern und Scheunen in Dippoldsberg auftraten. So berichtet Dok. Nr. 84 folgendes (62): "... Das Wohnhaus und der Schweinestall waren schwer beschäftigt. Schlafzimmer und Küche waren zerstört.

Das Hausdach zu 60% zerfetzt. Treffer zerstörten die Inneneinrichtung des Schweinestalls und der Holzlege."

Oder Dok. Nr. 86 meint (63): "Gegen 10 Uhr (16. April 1945) wurde unser Dorf von amerikanischen Panzern beschossen. Ein Blindgänger lag am Abend in unserer Scheune. Er hat nur ein Loch durch die Mauer gerissen." Und Dok. Nr. 94 erzählt (64): "... Fenster und Türen waren zerschossen."

Gegen Nachmittag verstummte der Kampflärm zunehmend, so dass die Bürger Dippoldsbergs ihre Schutzräume verließen. Es war so die Zeit zwischen 15 und 17 Uhr. In diesem Zeitabschnitt besetzen die US-Truppen an diesem Tage Dippoldsberg und die Dippoldsberger kamen somit zum ersten Male in ihrem Leben mit US-Soldaten zusammen. Mannigfaltig sind die Umstände unter denen unsere Gemeindebürger das erste Mal US-Truppen ansichtig wurden. Aber lassen wir doch besser die Augenzeugen selbst erzählen:

Dok. Nr. 87: "Am 16. April 1945. Truppen durchkämmten das Dorf."
Dok. Nr. 84: "Am 16. April 1945 um 16.30 Uhr, als die Amis nach schweren Kämpfen die deutschen Verbände zwischen Wilhermsdorf und Meiersberg aufgerieben hatten."
Dok. Nr. 88: "Wir verließen unsere Anwesen nicht und standen im Hof, als die ersten Panzer auffuhren."
Dok. Nr. 81: "Am 16. April. Durch den hinteren Hofeingang betraten vier amerikanische Soldaten den Hof, während ein Offizier mit vorgehaltener Pistole auf mich zukam."

Dies geschah alles zu der Zeit, da der Bürgermeister Fischer (65) die Gemeinde Dippoldsberg den US-Truppen übergab.

Hier verlief die erste Begegnung mit den US-Truppen weitaus robuster und spannender. Lassen wir doch die Worte der Dok. Nr. 93 auf uns wirken (66): "Gegen 15 Uhr verließen wir unseren Bunker und kehrten zu unserem Anwesen zurück. Dort vor der Haustür begegneten wir dem ersten Ami. Gleich begann das Verhandeln; denn in unserem Hof lag ein deutscher Soldatenmantel und in der Schmiedewerkstatt hatten unsere Soldaten gleich vier Panzerfäuste liegen gelassen. Ebenfalls eine Menge Munition lag in der Schmiede umher. Dem Reden der amerikanischen Soldaten konnten wir nur immer entnehmen: "Wo deutsche Soldaten?" Mit erhobenen Händen und den Gewehrlauf im Rücken wurde unser Großvater (damals Bürgermeister der Gemeinde Dippoldsberg, der Verfasser) an die Wand gestellt und verhört. Dies waren schreckliche Augenblicke für uns. Da er später noch die Bevölkerung unserer Ortschaft auffordern musste die weiße Fahne zu hissen? dachten wir schon, die Amerikaner hätten ihn gefangengenommen, weil wir ihn nirgends finden konnten. Gegen Abend war dann die Familie wieder beisammen. --"

In der Tat, Bürgermeister Fischer ließ durch Boten verkünden, oder forderte - wo notwendig - die Bevölkerung selbst auf die weiße Fahne zu hissen. Allerdings war diese Aufforderung von Seiten der Gemeindeverwaltung nicht überall nötig, denn viele Dippoldsberger hissten schon, nach Aufforderung der US-Truppen (67) oder aus eigenen Erwägungen (68), die weiße Flagge.

Wie endete die o. a. Aussage des Dok. Nr. 93?: "Gegen Abend war dann die Familie wieder beisammen."

 
 
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