20. Mai 1915 Feldpostbrief von Hans Löb
 
 
 
 
 
     
 
         
    Bonn am Rhein, den 20. Mai 1915.
Hochgeehrter Herr Pfarrer!
Gestern habe ich einen Brief von Ihnen erhalten. Dadurch in große Freude versetzt, erstatte ich Ihnen hierfür meinen aufrichtigsten Dank.
Von den blutigen Kämpfen, die sich in den letzten Tagen meiner Verwundung abspielten, kann ich Ihnen leider nicht viel mitteilen, da ich nach kaum vierstündiger Teilnahme an denselben schon verwundet wurde. Der Anfang dieser folgenschweren Tage gestaltete sich folgendermaßen:
Am vierten und fünften Mai war meine Kompanie in vorderster Linie in Stellung. Vom fünften auf sechsten Mai nachts wurden wir durch die 15. Komp. abgelöst. Wir kamen herein in die Ortschaft Neuville, wurden in Keller einquartiert und hatten Bereitschaft.
Während die französische Artillerie schon am 5. Mai, wo wir noch in Stellung waren, unsere zweite Stellung mit ihren schweren Minen-Mörsern ziemlich lebhaft beschoß, verstärkten sie von Tag zu Tag ihr Feuer heftiger. Am 8. Mai abends waren unsere Lauf- und Zugangsgräben zu unserer Stellung ganze stückenweise eben geschossen. Um neun Uhr abends selbigen Tages mußte meine Kompanie hinaus, um die Gräben wieder auszuheben. Kaum hatten wir angefangen zu schanzen, so fing auch die feindliche Artillerie an, auf uns zu feuern. Das Feuer wurde gegen elf Uhr nachts so heftig, daß wir, um große Verluste zu vermeiden, in unsere Quartiere zurückgehen mußten. Als wir daselbst ankamen, war es nachts 12 Uhr. Wir legten uns auf unser Stroh zur Ruhe nieder. Um zwei Uhr wurden wir wieder geweckt, und nun gings von neuem an die Arbeit. Es war etwas ruhiger geworden, zwar kamen hie und da noch einige Granaten geflogen, doch gegen Morgen war einige Stunden vollständige Ruhe, so daß wir um sechs Uhr mit unserer Arbeit fertig waren. Wir kehrten wieder in unser Quartier zurück, tranken unseren Kaffee und legten uns müde und matt, zur Ruhe nieder. Aber die Ruhe sollte nicht lange währen. Um zehn Uhr wurden wir alarmiert. Nach einigen Minuten mußten wir feldmarschmäßig antreten. Als wir von den Kellern heraus auf die Straße kamen, riefen uns die Offiziere zu: Die Franzosen seien am nördlichen Rand der Ortschaft schon hereingedrungen, was wir natürlich nicht glauben wollten. Wir rannten etwas in Unordnung dem nördlichen Ausgang zu und stießen auch bald auf die Eindringlinge.
Nun ging der Kampf los. Die Franzosen wollten nimmer weichen, und wir durften nicht weichen. So wurde denn gekämpft, bis ich um zwei Uhr verwundet wurde. Als ich auf dem Verbandsplatz verbunden wurde, hörte ich gegen drei Uhr das Kommando: Alles vorwärts! Die Franzosen hatten sich indessen doch zum Rückzug bewogen. Wie es weiterging, davon weiß ich nichts mehr.
Meine Verwundung ist Gott sei Dank nicht gefährlich. es ist zwar der linke Oberarm durchschossen, doch sind nach Aussage des Arztes die Nerven und Blutgefäße unverletzt geblieben. Meine linke Hand jedoch ist ziemlich steif und krämpfig, so daß ich sie vorläufig zu nichts brauchen kann. Im übrigen geht es mir hier sehr gut.
Viele herzliche Grüße und eine:"Fröhliche Pfingsten" sendet Ihnen und Ihrer wertgeschätzten Familie, sowie der ganzen Pfarrgemeinde Kirchfarrnbach
Ihr ergebener
Hans Löb
   
         
 
     
 
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