Flüchtlinge in der ehemaligen Gemeinde Kirchfarrnbach um 1946
- wie sie hießen und bei wem sie einquartiert waren -
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Unterkünfte durch "Wohnraumbeschlagnahme"
Sieben Monate nach der Kapitulation Deutschlands galt es für die Behörden drastische Maßnahmen zu ergreifen, "um den Flüchtlingsstrom in eine geordnete Bahn zu bringen", wie man damals sagte. Im Auftrag der bayerischen Staatsregierung ordnete im Dezember 1945 der Flüchtlingskommissar des Landkreises, Herr Rupprecht, die Wohnraumbeschlagnahme an. Die dem Landrat unterstellten Bürgermeister hatten Kommissionen aufzustellen, die diese Maßnahme durchführten. Dabei hatten sie detaillierte Vorschriften zu befolgen. Eine dieser Vorschriften lautete zum Beispiel:
 
  Bei der Einweisung von Flüchtlingen und Umgruppierungen innerhalb des vorhandenen Wohnraumes ist dahin zu arbeiten, daß die Nazi ihre Häuser verlassen müssen und in weniger komfortable Häuser eingewiesen werden. ... Bei der Beschlagnahme ... ist in folgender Reihe vorzugehen:  
 
  a) Beschlagnahme allen verfügbaren Raumes bei kriminell oder politisch besonders schwer Belasteten.
  b) Bei politisch schwer Belasteten wegen erheblichen Einsatzes für den Nationalsozialismus
  c) Beschlagnahme bei politisch leichter Belasteten,
  d) Beschlagnahme bei Mitläufern,
  e) Beschlagnahme des Wohnraumes bei größerem Landbesitz ... und Wohnungen
  f) in letzter Linie bei dem Kleinbesitz (Kleinbauern, Häusler- und Arbeiterwohnungen)
 
 
Die Kommission kam in jedes Haus der Gemeinde. Alle Zimmer, Kammern, Küchen, Aborte, Kellerräume, Dachböden und sonstigen Räume wurden auf einer Liste verzeichnet. Was irgendwie bewohnbar war, wurde ausgemessen. Die Ergebnisse wurden in die sogenannten Wohnungsbögen eingetragen. Zum Beispiel wurden für das größte Wohnhaus der Gemeinde, das Pfarrhaus, fünf Wohnungsbögen ausgestellt, es wurde also in fünf Wohnungen aufgeteilt. Für die fünfköpfige Familie des Pfarrers Arndt blieben so zwei Zimmer, eine Kammer und eine Küche übrig. Das Bibelstundenzimmer wurde unter "sonstige Räume" aufgeführt. Ein Ausschnitt aus diesem Wohnungsbogen:
Größere Widerstände gegen diese Maßnahme schien es in der Gemeinde Kirchfarrnbach nicht gegeben zu haben. Über die Situation im Landkreis schrieb am 16. Januar 1946 Flüchtlingskommissar Rupprecht:
    ...Freilich gab es genug Einwohner, die mit allen Mitteln versuchten, keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Ein Befehl im untergegangenen Reich hätte genügt, diese Widerstände kurzerhand mit den bekannten Methoden zu beseitigen. Damit ist aber niemand geholfen. Wir haben die moralische Pflicht, für alle Heimatlosen Platz zu schaffen und ihnen zu helfen, wo wir können. Das Gebot der Nächstenliebe muss uns höher stehen, als die Gewalt. Und nicht der Gedanke soll bestimmend sein, dass die von Haus und Besitz Vertriebenen in ihrer Verzweiflung mordend und sengend durchs Land ziehen können, sondern der Wille, durch unser Handeln wieder Sitte und Kultur zur Grundlage des neuen demokratischen Staates zu machen.    
 
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